Mitnahmementalität

„In Ost wie West gibt es eine Mentalität bis weit in die Mittelschicht hinein, dass man staatliche Leistungen mitnimmt, wo man sie kriegen kann.“

Im letzten Jahrzehnt hat man nicht nur von unserem Ex-Bundeskanzler vorwurfsvolle Töne über diese sogenannte „Mitnahmementalität“ zuhauf gehört. Besonders Vertreter der FDP wie Herr Westerwelle aber auch führende Manager der Wirtschaft haben diese fiese Eigenschaft der schmarotzenden Sozialhilfeempfänger und kleinen Leute immer wieder angeprangert.
Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen, damit es Deutschland bald wieder besser geht, hieß es.
Zurückhaltung bei den Lohnrunden und gegebenenfalls auch Lohnverzicht muß sein, hieß es.
Später wurde dann auch die „Geiz ist Geil – Mentaltät“ vielfach angeprangert.
Gestern erst wieder mal vom „großen Alten“ der Sozialdemokratie: Hans Jochen Vogel bei Maybrit Illner.
Gestern gab es in der Sendung auch ein schönes Schaubild zu sehen: Die Entwicklung der Managergehälter, der Steuern und Abgaben an den Staat in den letzten Jahren (2003-2007) und die Entwicklung der Löhne und Gehälter.

Die Managergehälter stiegen um 47%, die Staatseinnahmen um 22% und die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer um 4,3%.
Oh, kleiner Fehler passiert! Korrektur: Die Löhne der Arbeitnehmer
sanken um 4,3%, Entschuldigung.


Die Zahlen stammen von einer Studie der Bundesregierung.
Ürigens hatte der Topmanager der Firma Grünenthal, Wirtz oder so, im letzten Jahr schon 87 Millionen €uro verdient, als das Jahr noch nicht mal um war. Das wären so etwa 174 Millionen D-Mark gewesen, wenn es diese noch gäbe. Die Abfindung der Firma für tausende von Contergangeschädigten Behinderten ohne Arme und Beine betrug 100 Millionen DM damals.
Durch das Mittel Contergan wurde ein vielfaches dieser Summe als Reingewinn gemacht.
Es wird übrigens immer noch verkauft.
Neulich bekam ich eine mail von Det, in der er darüber Buße tat, für Gerhard Schröder mal Wahlkampf gemacht zu haben.
Als Begründung sandte er einen Link zu diesem Film.
Hier sieht man unseren Herrn (Mitnahmementaltät) Schröder in der schönen Schweiz, wo er eine Firma leitet (Ostsee-Gaspipeline). In der Stadt Zug gibt es neben Schröders Gasfirma noch viele viele Briefkastenfirmen, weil die Steuern da so niedrig sind…
Unsern Gerd sieht man denn auch nur einmal im Jahr in seiner Firma, es reicht ja, wenn er in der Schweiz die Steuern zahlt. Arbeiten kann man auch anderswo.
Ich stelle fest: Schröder hatte recht. Es gibt tatsächlich diese Mitnahmementalität in Deutschland.
Und zwar bei den Managern, großen Wirtschaftsunternehmen und beim Staat!
Und die kleinen Leute werden immer geiziger und kaufen nur noch das Billigste und keine teuren deutschen Produkte mehr. Warum? – Weil sie eben kein Geld mehr für die teuren deutschen Produkte haben.
Geiz ist eben geil…

7 Kommentare zu „Mitnahmementalität“

  1. Mann – guter Kommentar!Solche Vorgänge können mich derart wurmen, dass ich … dass ich …ick weeß och nich‘!Mehr beten für „die da oben“?Mehr Protestbriefe?Eine Revolution anzetteln? :-)Mann, Mann …

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  2. Beten für die Obrigkeit ist immer gut und richtig. Für Helmut Kohl habe ich früher so viel gebetet, daß ich ihn nach einigen Jahren richtig lieb hatte ;-)) Im Ernst!Aber ich denke man sollte schon bei Ungerechtigkeiten auch das Maul aufmachen. Das ist genauso biblisch.Und ein gehöriges Feddback bei den Wahlen ist auch legitim.Ich habe seit der letzten Bundestagswahl aus Protest die Linken gewählt – auch wenn die populistisch sind – um die etablierten Parteien zum Nachdenken und Arbeiten zu zwingen…;-))

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  3. auf punkt und komma genau, 364 tage macht schröder blau… na ja, dichter bin ich keiner.jedenfalls trifft dein kommentar endlich mal diejenigen, die sich beim (hochnäsigen) kommentieren (von oben nach unten) recht leicht tun… und das ist gut so!!!

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  4. @ski: Z.B. einer Gewerkschaft beitreten? (Auch wenn man da Bauchschmerzen bekommen kann)Politisch aktiv werden? Einer Partei beitreten? Wenn wir als Christen das „Salz“ in der Suppe der Gesellschaft sind, dann bedeutet das auch, sich überall einzumischen.

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  5. Die „Mitnahmementalität“ hat eigentlich die gesamte Gesellschaft infiziert. Manager und Spitzenpolitiker machen es vor, und Lieschen Müller samt Renate Mustermann und Otto Normalverbraucher machen mit, wenn und wo sie können. Mancher Politiker wundert sich über „Politikverdrossenheit“ und ist doch selbst Teil der Ursache.Gestern abend bei Anne Will (ARD) war das wieder mal zu bewundern: Eine illustre Schar von Politikern debattiert über Probleme, die die Herren überhaupt nicht kennen. Die CDU scheint inzwischen arbeitnehmerfreundlicher zu sein als die SPD. Vielleicht verdirbt Macht wirklich jeden Charakter?

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  6. @Günter: Macht und Geld korrumpiert sicher in den meisten Fällen.Was Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher ärgert, ist, daß ihnen von oben her Enthaltsamkeit nicht nur gepredigt sondern per Lohnkürzung, Rentenkürzung und Steuererhöhung auch ganz praktisch aus der Tasche gezogen wird, während sich die „Obrigkeit“ die Taschen vollstopft. Die kleinen Leute haben einfach kaum eine Möglichkeit ihre sicher genauso vorhandene „Mitnahmementalität“ zu praktizieren, weil sie am kürzeren Hebel sitzen. Würden die „Großen“ ihrer größeren Verantwortung gerecht (Eigentum verpflichtet) würden die Kleinen es auch nicht mehr nötig haben bei der Steuer zu schummeln oder schwarz zu arbeiten.

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